Subsidiarität

Was ist eigentlich … Subsidiarität?

Wie ist eigentlich … Subsidiarität?

Der Begriff der Solidarität ist wohl allen bekannt. In besonderen Situationen unterstützt jemand einen anderen Menschen mit seinen Mitteln und Möglichkeiten, der selbst nichts oder nur sehr wenig hat und auf Hilfe angewiesen ist. Es werden also Besitz, Zeit, Geld oder Energie geteilt.

Dem gegenüber steht der Begriff der Subsidiarität (vom lateinischen „subsidium“ = Hilfe, Reserve). Sie bedeutet eine größtmögliche Selbstbestimmung und Eigenverantwortung des Individuums, der Familie oder der Gemeinde, soweit dies möglich und sinnvoll ist. Das Subsidiaritätsprinzip besagt daraus folgend, dass (höhere) Institutionen nur dann (aber auch immer dann) regulativ eingreifen sollten, wenn die Möglichkeiten des Einzelnen, einer kleineren Gruppe oder einer niedrigeren Hierarchie-Ebene allein nicht ausreichen, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. In Bezug auf die Hilfe von Mensch zu Mensch bedeutet dies: so wenig Hilfe wie möglich, aber so viel wie nötig. Man kann auch von „Hilfe zur Selbsthilfe“ sprechen.

In der katholischen Kirche ist der Gedanke der Subsidiaritätslehre bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt worden. Manifestiert wurde er allerdings erst 1931 in der Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ von Papst Pius XI., dort verfasst von Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning.

Nell-Breuning schreibt, Subsidiarität dürfe nicht in dem Sinne missverstanden werden, als solle die Gesellschaft nur in Ausnahmefällen als Lückenbüßer einspringen, vielmehr geht es um den „hilfreichen Beistand“, den die Gesellschaft leisten muss. Bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips sei nämlich nicht gemeint, erst einmal abzuwarten, was die kleineren Gemeinschaften unter Aufbringung aller Kräfte und dem Einsatz der letzten Reserven zu leisten imstande seien, sondern es sei jene Art von Hilfe zu geben, „die den Menschen instandsetzt oder es ihm erleichtert, sich selbst zu helfen, oder die seine Selbsthilfe erfolgreicher macht.“ Noch so wohlgemeinte Maßnahmen, die den Menschen an der Selbsthilfe hindern, ihn davon abhalten oder den Erfolg seiner Selbsthilfe beeinträchtigen oder sie ihm verleiden, sind in Wahrheit keine Hilfe, sondern das Gegenteil davon – sie schädigen den Menschen.

Papst Franziskus greift den Gedanken in seiner Enzyklika „Evangelii gaudium“ auf und fordert darin: „Es ist nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen ‚Dezentralisierung‘ voranzuschreiten.“

Carsten Menges

(Dieser Artikel stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“, 2022/3, S. 18.)