Der Alltag kehrt ein - 1857 bis 1933
Eine kleine Geschichte der St.-Marien-Gemeinde
Nach der Gründung der Pfarrei und dem Neubau der Kirche kehrte der Alltag in der St.-Marien-Gemeinde ein. Dieser war nicht nur geprägt durch die sonntägliche Eucharistiefeier und die kirchlichen Hochfeste (Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam und Allerheiligen), an denen die Kirche die Besucher kaum fassen konnte.
Wichtig für die Gemeinde waren auch die verschiedenen Formen von Andachten, v.a. die Rosenkranz- und die Herz-Jesu-Andacht; in ihnen war die Gemeinde durch das gemeinsame Wechselgebet direkt am liturgischen Geschehen beteiligt.
Bedeutend für das gemeindliche Leben wurden die katholischen Vereine. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es in Lüneburg folgende Vereine:
- Katholischer Männerverein
- Jünglingsverein
- Marianische Jungfrauenkongregation
- Elisabethverein
- Vinzenz-Verein
- Borromäusverein
- Volksverein
- Bonifatiusverein
In diesen Vereinen fanden die Mitglieder der Gemeinde ihre eigentliche kirchliche „Heimat“, in der sie sich über ihr Alltagsleben austauschen und sich mit ihren je eigenen Fähigkeiten einbringen konnten.
Die Pfarrer in dieser Zeit waren Friedrich Müller (1850-1863), Friedrich Hugo (1863-1866), Johann Christian Schubert (1866-1869), Heinrich Merten (1870-1884), Wilhelm Sander (1884-1903), Klemens Wenig (1903-1925) sowie Augustinus Scholle (1925-1932). Zwar gab es immer wieder schwierige Zeiten (z.B. während des „Kulturkampfes“), jedoch keine größeren Brüche.
Hervorzuheben ist hier Pfarrer Wilhelm Sander, der die Gemeinde umsichtig und kreativ leitete. Er regte die Gründung zahlreicher neuer Bruderschaften und Vereine an, initiierte die Erweiterung der katholischen Volksschule sowie die Gründung des St.-Bonifatius-Stifts. Das 1887 gegründete Bonifatiusstift diente dazu, den vielen katholischen Kindern der Außenbezirke eine Bleibe zu schaffen, wo sie im Glauben unterrichtet und auf den Empfang der Sakramente (Beichte, Erstkommunion) vorbereitet werden konnten.
Die St.-Marien-Kirche wurde kurz nach 1900 renoviert und 1905 ausgemalt. 1910 gehörten 1.800 Mitglieder zur St.-Marien-Gemeinde, zu deren Betreuung es zwei Geistliche gab.
Während der Zeit des Pfarrers Klemens Wenig wurde 1903/04 in Uelzen eine eigene Kirche errichtet, nicht zuletzt deshalb, weil dorthin immer mehr polnische Landarbeiter kamen. In Lüchow wurde 1913/14 die St.-Agnes-Kirche errichtet; man war aber bis 1921 auf „priesterliche Nachbarschaftshilfe“ aus Lüneburg, Uelzen und Salzwedel angewiesen, weil der eigene Geistliche zum Militärdienst eingezogen worden war. Damit war die St.-Marien-Gemeinde, die bis in die Zeiten der Weimarer Republik flächenmäßig größte Gemeinde des Bistums Hildesheim (Nord-Süd-Ausdehnung: 90 km), verkleinert, entlastet und übersichtlicher gemacht worden.
Unser kleiner historischer Abriss wird hier weitergeführt.
Quellen:
- Josef M. Sprenger: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Pfarrkirche St. Marien zu Lüneburg (1858-1958), Lüneburg 1958.
- Reinhold Dyckhoff / Anneliese Reichelt / Thomas Scharf-Wrede (Hg.): St. Marien Lüneburg 1850-2000. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Kirchengemeinde = Hildesheimer Chronik. Beiträge zur Geschichte des Bistums Hildesheim, Band 5, hrsg. vom Bistumsarchiv und Dombibliothek, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2000.