Bischof Bernward
Bischof Bernward – ein Förderer der Kunst
Bischof Bernward – ein Förderer der Kunst
Das Godehard-Jahr, das in unserem Bistum so ausgiebig gefeiert wurde/wird, ließ den 1000. Todestag Bischof Bernwards in den Hintergrund treten. Sein Lebenswerk bleibt zumindest in den durch ihn angeregten und geförderten Kunstwerken bis heute sichtbar.
Besuchen wir unsere Bistumsstadt Hildesheim, so fällt uns bereits auf dem Domplatz das große Standbild zu Ehren Bernwards auf. Als Bischof – mit Mitra und Hirtenstab – erhebt er seinen rechten Arm zum Segen. Wer den Hildesheimer Dom aufsuchen möchte, kommt an Bischof Bernward im konkreten wie übertragenen Sinn „nicht vorbei“. Er hat das Bistum während seiner Amtszeit von 993 bis 1022 besonders geprägt. Und er hat uns in Hildesheim drei Kunstwerke hinterlassen, die allesamt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Geboren wurde Bernward vermutlich um 950. Er stammte aus sächsischem Adel und erhielt eine profunde Schulbildung. An Königshäusern tätig, wirkte er unter anderem einige Jahre als Erzieher von König Otto III. Seine Zeit als Bischof fällt in die Zeit der Sachsenkaiser. Die Stadt Hildesheim war damals auch politisch für das Reich ein besonderer Standort. Der kunstsinnige Bernward wollte Hildesheim daher ein eindrucksvolles Stadtbild nach dem Vorbild Roms verleihen. Dieses Vorhaben spiegelt sich noch heute in der nach ihm benannten Bernwardtür, der Christussäule sowie der frühromanischen Michaeliskirche wider.
Die Michaeliskirche ließ Bernward als seine Grabeskirche bauen. Sie sollte ein Abbild des himmlischen Jerusalems darstellen. Bauhistoriker würdigen nicht nur Bernwards Rolle als Auftraggeber und Bauherr, sondern sehen in ihm auch den Ideengeber für die architektonische Konzeption; für den Bauhistoriker Roggenkamp ist er der „geistige Schöpfer des Raumgedankens“. Die Michaeliskirche ist eine doppelchörige, dreischiffige Basilika mit zwei Querhäusern und einem quadratischen Turm über der Vierung. Ihrer Bauweise wegen wird sie auch als „Gottesburg“ bezeichnet. Das Land Niedersachsen wählte die Michaeliskirche für die Abbildung auf der 2-Euro-Münze aus – eine besondere Wertschätzung. Seit der Reformation gehört die Kirche zur evangelisch-lutherischen Gemeinde, die Krypta mit der Grablege Bischof Bernwards hingegen weiterhin zur katholischen Kirche.
Die Christussäule im Dom ist nach dem Vorbild der steinernen Kaisersäulen in Rom entstanden. Sie gilt als die früheste freistehende Bronzeskulptur in Westeuropa, 3,79 Meter hoch, mit einem Durchmesser von 58 Zentimetern. Insgesamt sind 28 biblische Szenen abgebildet, die als kontinuierliche Geschichte gelesen werden können, da sie nahtlos ineinander übergehen. Die halbplastischen Figuren beeindrucken durch ihre Lebendigkeit und Ausdruckskraft.
Bei der Bernwardtür, im Jahr 1015 aus Bronze angefertigt, wurde jeder der beiden Türflügel aus einem Stück gegossen, eine handwerkliche Meisterleistung angesichts der Maße und des Gewichts: Mit 4,72 Metern Höhe waren sie die höchsten Türen ihrer Epoche. Ein Türflügel wiegt 1,85 Tonnen.
Dass sie 1945, gegen Ende des 2. Weltkriegs, nicht bei den Bombenangriffen auf Hildesheim zerstört wurde, ist dem Domkapitel zu verdanken, das sie drei Jahre zuvor ausbauen und einlagern ließ. Die Flügeltüren mit biblischen Figuren aus dem Alten wie dem Neuen Testament gelten als erster Bildzyklus der deutschen Plastik. Die einzelnen Bildreliefs stellen die biblische Heilsgeschichte dar. Acht Bildreliefs auf der linken Seite zeigen, oben beginnend, Szenen aus dem Alten Testament bis zum Brudermord durch Kain an Abel. Ihnen gegenübergestellt sind rechts acht Bildreliefs aus dem Neuen Testament, unten beginnend, von Mariä Verkündigung bis zur Auferstehung Jesu. Die Figuren treten nicht gleichmäßig aus der Fläche, sondern lehnen sich aus dieser heraus. Für Plastiken aus der ottonischen Zeit sind weiterhin die überproportional großen Gesichter charakteristisch.
Die Bernwardtür zeugt – in Verbindung mit der Christussäule – von Bischof Bernwards Bestreben, durch außergewöhnliche Kunstwerke seiner Bischofsstadt eine kulturelle Vormachtstellung in der von den Sachsenkaisern angestrebten Erneuerung des Römischen Reiches zu verschaffen. Zu den bedeutendsten Kunstwerken des Mittelalters zählend, besitzt sie zum einen eine besondere kunsthistorische Dimension, zum anderen ist sie auch für Wissenschaftler eine Fundgrube.
Der Hildesheimer Bibelforscher Christian Schramm sagt: „Mich fasziniert die Bernwardtür besonders auch als Bibelwissenschaftler. Sie vereint auf überschaubarem Raum zentrale biblische Erzählungen. Doch werden hier nicht einfach einzelne biblische Geschichten illustriert. Vielmehr entsteht durch die Auswahl, die konkrete Umsetzung inklusive Pointierung und vor allem die Anordnung und Zusammenstellung etwas Neues, Eigenes, Einmaliges. Ich kann die Bernwardtür wie eine Art biblischen ‚Comicstrip in 3D‘ lesen, der in zweimal acht Szenen die Heilsgeschichte dramatisch-dynamisch in konzentrierter Kurzform erzählt – aus christlicher Perspektive, versteht sich. Die Bernwardtür ist ein ‚Katechese-Portal‘, sie ist Bronze gewordene Glaubensverkündigung, die manchmal über die biblischen Vorgaben hinausgeht. … Das Bildprogramm der Bernwardtür schafft durch die Bezüge der Bilder aufeinander (parallel und diagonal) einen Tiefensinn, der das Einzelne übersteigt. Ich kann lange vor der Tür stehen und in die einzelnen Szenen sowie in das Gesamtkunstwerk eintauchen. Und wenn es dann heißt weiterzugehen, dann kann ich – nach dieser Glaubensunterweisung durch die Bernwardtür – erhobenen Hauptes in den Kirchenraum des Domes eintreten. Hier feiern wir in der Eucharistie das Geheimnis des Glaubens, des Heiles, der Erlösung, der Auferstehung – so hält der Raum, was sein Portal verspricht.“
Monika Korthaus-Lindner
(Dieser Artikel stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“, 2023/1, S. 20-21.)