Kirchengemeinde

Was ist eigentlich … eine Kirchengemeinde?

Im allgemeinen Sprachgebrauch kursieren immer wieder unterschiedliche Bezeichnungen für unsere Gemeinden. Welche ist richtig? Was ist gemeint?

Zugrunde liegt allen Formulierungen das Wort „Gemeinde“. Auf kommunaler Ebene ist damit eine Körperschaft eines bestimmten Gebietes gemeint. Im kirchlichen Kontext verstehen wir unter einer Gemeinde eine Versammlung von glaubenden Menschen, die den Glauben leben, miteinander teilen und feiern.

Erst im Laufe der Geschichte haben sich die heutigen Gemeindeformen herausgebildet. Der Begriff „Pfarrei“ (vom griechischen Wort paroikía) wird wohl vom ursprünglichen pár-oikos = am Haus abgeleitet. Die ersten christlichen Gemeinden bildeten sich in der Nachbarschaft und trafen sich zunächst in Hauskirchen. Erst ab dem 6. Jahrhundert wurde die Seelsorge neu strukturiert und bestimmten Kirchen zugeordnet. Daraus entwickelte sich ein flächendeckendes System von Pfarreien. Der Vorsteher der Pfarrei war der Bischof. Dieser übertrug die Seelsorge aber einem Kleriker, der Pfarrer genannt wurde.

Rund um besondere Kirchen, z.B. Pilgerorte, bildeten sich darüber hinaus „Kapellengemeinden“, die sich um die jeweilige Kirche kümmerten, aber auch Teil einer größeren Pfarrei waren.

Der Begriff „Pfarrgemeinde“, den wir heute oft verwenden, kommt im katholischen Kirchenrecht nicht vor. Dort ist nur von der „Pfarrei“ die Rede. Von der Pfarrei ist die „Kirchengemeinde“ zu unterscheiden. Dieser Begriff kommt im katholischen Kirchenrecht ebenfalls nicht vor. In Deutschland ging das Allgemeine Preußische Landrecht von evangelischen Begrifflichkeiten aus und betrachtete die Kirchengemeinde wegen deren Funktion bei der Vermögensverwaltung als juristische Person. Dies setzte sich im Staatskirchenrecht durch, so dass der Staat die Gesamtheit der Angehörigen einer Pfarrei als Kirchengemeinde betrachtete. Rechtsträger der Pfarrei war damals die Kirchenstiftung. Daher kommt der Kirchengemeinde heute in Deutschland eine entscheidende Bedeutung im Staatskirchenrecht zu, wobei sie jedoch von der Pfarrei zu unterscheiden ist. So kann eine Pfarrei durchaus aus zwei Kirchengemeinden bestehen, die dann auch jeweils einen Vermögensverwaltungsrat (Verwaltungsrat, Kirchenverwaltungsrat) haben.

Noch verwirrender ist, dass die Begriffe sich auch von Region zu Region, von Bistum zu Bistum unterscheiden. Während in Bayern in vielen Gemeinden noch von der Kirchenstiftung die Rede ist, sprechen wir selbstverständlich vom Kirchenvorstand als Gremium, das staatskirchenrechtlich der Rechtsträger ist. Die Kirchengemeinde gilt staatlich als Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Pfarrei dagegen ist die maßgebliche Größe kirchlichen Rechts.

Vermutlich ist aus der Verbindung beider Rechtsbegriffe das Wort „Pfarrgemeinde“ entstanden. Im Zuge der Neuordnung sind weitere Begriffe entstanden, die jeweils aber immer nur eine Entwicklung abgebildet haben. So bezeichnete das Wort „Seelsorgeeinheit“ die Betreuung mehrerer eigenständiger Kirchengemeinden durch einen Pfarrer bzw. ein Pastoralteam. In vielen Bistümern wurden schließlich Pfarreien aufgelöst und neue Pfarreien gegründet oder anderen bestehen Pfarreien „zugepfarrt“. Inzwischen sind diese Pfarreien z.T. so groß, dass eine weitere Zusammenlegung nicht sinnvoll erscheint.

Nun sprechen wir in unserem Bistum vom „überpfarrlichen Personaleinsatz“, was wiederum bedeutet, dass ein Pfarrer bzw. Pastoralteam mehrere Pfarreien gleichermaßen zu betreuen hat.

Strukturen und Namen mögen sich verändern. Wichtig ist und bleibt dabei, dass Menschen zusammenkommen, um den Glauben zu leben, zu verkünden und zu feiern. Alle Strukturen haben diesem zentralen Anliegen zu dienen – nicht umgekehrt.

Carsten Menges

(Dieser Text stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“ 2021/1, S. 22.)