Solidarität
Solidarität – ein strapazierter Begriff
Solidarität – ein strapazierter Begriff
Gerade in Zeiten großer Krisen erfährt der Begriff der Solidarität besondere Aufmerksamkeit. Coronakrise, Klimakrise und nun auch noch der Krieg in der Ukraine, der neben unendlichem menschlichem Leid zusätzlich noch die Energiekrise auslöst, rufen nach Solidarität, nach solidarischem Handeln.
Aber was bedeutet Solidarität? Wörtlich übersetzt leitet es sich von „gediegen, echt, fest“ ab, wie wir es auch im Wort „solide“ finden.
Solidarität wird mit einer Haltung der Verbundenheit verknüpft. Solidarität betont – im Gegensatz zur „Konkurrenz“ – das Wir-Gefühl. Man verhält sich solidarisch, wenn man sich mit Zielen, mit Programmen und Handlungen einverstanden zeigt. Man handelt Menschen, Gruppen oder Gemeinschaften gegenüber solidarisch, wenn man sich ihnen verbunden fühlt. So traten die Arbeiter der Danziger Leninwerft 1980 in einen Streik, der landesweit weitere Streiks auslöste. Unter ihrem Führer Lech Walesa schlossen sich die Arbeiter in der Gewerkschaft „Solidarnosc“ zusammen. Diese Solidar(itäts)gemeinschaft wurde zu einer prägenden Kraft bei der politischen Umstrukturierung des Landes.
Die katholische Soziallehre fußt auf drei Säulen, von denen eine – neben Personalität und Subsidiarität – die Solidarität bildet. Der früherer Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte in seiner berühmten Rede von 1986: „Nur eine solidarische Welt kann eine gerechte und friedvolle Welt sein.“ Die Malteser, in deren Leitlinien Solidarität als ethisches Prinzip verankert ist, sprachen im Zusammenhang von Solidarität auch „… vom Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält“. Ohne Verbundenheit, ohne gemeinsame Werte, ohne Wir-Gefühl ist Solidarität also nicht möglich. Zur echten Solidarität gehört das Sich-Identifizieren-Können. Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, fühle ich mich angesprochen, setzt das Impulse frei, um zu helfen oder zu spenden.
Mitunter appelliert auch der Staat an unser Solidaritätsgefühl. So führte er nach der Wiedervereinigung den Solidaritätsbeitrag „Soli“ ein, um den „Aufbau Ost“ voranzubringen. Viele Bürger zahlten/zahlen den „Soli“ gern, manche nur zähneknirschend als Pflichtbeitrag. Echte Solidarität lässt sich kaum bzw. gar nicht verordnen … Als 2015 die vielen syrischen Flüchtlinge ankamen, löste dies bei vielen Menschen eine Welle der Hilfsbereitschaft aus, ebenso bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, um gelebte Solidarität an zwei Beispielen zu verdeutlichen.
Aber auch in unserem Staat, der in vielen Bereichen ein Sozialstaat ist, werden solidarische Prinzipien angewendet – und darüber sollten wir sehr froh sein. Nehmen wir beispielsweise unser Gesundheitssystem: Von den Beiträgen werde die Kosten übernommen, aber bei hohen Auslagen – wie bei Operationen und Therapien – können die eingezahlten Beiträge schnell überschritten werden, ohne dass eine Nachzahlung erfolgen muss.
Konkurrenz, Egoismus, berechnende Verhaltensweisen … schaffen keine Basis für Solidarität. Solidarität ist auch ein christlicher Wert, der Vertrauen und Offenheit benötigt, eine Haltung, die Verbundenheit durch Teilen bewirkt.
Monika Korthaus-Lindner
(Dieser Artikel stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“ 2022/3, S. 3.)
Lesen Sie dazu bitte auch die Artikel über unsere „Solitafeln“ im September 2022 in St. Marien und in St. Stephanus.