Die Gandersheimer Madonna
Ein kleiner Rundgang durch unserer Pfarrkirche St. Marien
Zur Geschichte der „Gandersheimer Madonna“ – Die „Irrfahrt“ eines Kunstwerkes endet in Lüneburg
Die neue St.-Marien-Kirche war gerade geweiht worden, als ihr ein Kunstwerk mit einer bewegten Geschichte zufiel, die sich „spannender als eine Kriminalerzählung“ liest, wie die Landeszeitung (wohl: Anfang) Dezember 1963 schrieb. Gemeint ist die „Gandersheimer Madonna“, die als „liebliches Werk aus begnadeten Schnitzerhänden“ charakterisiert wurde (den Artikel aus dem Archiv der Landeszeitung nachlesen).
Diese Madonnen-Statue stammt vermutlich aus dem 15. Jahrhundert. In Bad Gandersheim (Harz), der „Roswitha-Stadt“, stand sie in einer Kirche, bis die Reformation dort eingeführt wurde: „Bilderstürmer“ zerschlugen sie, so dass von ihr nur 34 Einzelstücke übrig blieben. Die Fragmente hat wohl ein gläubiger Katholik geborgen und versteckt.
Sie wurden erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt, als ein Mitglied der Lehrerfamilie Linneborn sie zufällig auf dem Dachboden eines alten Bauernhauses fand. Die Linneborns fügten die Teile – so gut es ging – wieder zusammen. Der Familienlegende nach fand die Statue einen festen Platz in ihrem Familientestament: Diese ging demnach als Erbstück auf den jeweils ältesten Sohn über; im 19. Jahrhundert wurde sie restauriert.
Letzter Erbe war Dechant Bernhard Linneborn aus Uelzen. Bei seinem ersten Besuch in der neu erbauten St.-Marien-Kirche entschloss er sich sofort, ihr die Marien-Statue zu stiften, ließ sie aber vorher erneut restaurieren. Für einen würdigen und gesicherten Standort sorgte der damalige Pfarrer Johannes Bendfeld. In einer Feierstunde am 8. Dezember 1963, dem Patronatsfest unserer Kirche, weihte der Stifter die „Gandersheimer Madonna“.
Die „Gandersheimer Madonna“ – Beschreibung
Die „Gandersheimer Madonna“ ist aus Lindenholz gefertigt und gehört zum sogenannten „weichen Madonnentyp“. Maria ist stehend auf einem grünen Sockel dargestellt, der wiederum auf einem schwarzen Sockel befestigt ist; auf ihrem linken Arm hält sie das unbekleidete Jesuskind. Das gesamte Ensemble wirkt sehr harmonisch.
Maria weist ein edles Antlitz mit hoher Stirn auf, das fast jugendliche Anmut ausstrahlt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch ihr langes, schwarzes Haar. Maria ist bekleidet mit einem blauen Gewand, über dem sie einen Mantel trägt, der nach außen rot, nach innen aber golden ist. Die Falten ihrer Gewänder fallen elegant, weich und anmutig sind sie in tiefen Mulden drapiert.
Maria wirkt, als sei sie in einer Bewegung begriffen, worauf v.a. ihr rechter Arm hindeutet. Fast innig wirkt ihre Beziehung zu ihrem Kind, das sie auf ihrem Arm hält.
In seiner linken Hand hält das Jesuskind eine goldene Kugel. Wie seine Mutter, so blickt es auch den Betrachter an, den rechten Arm wie zum Segen erhoben.
Die „Gandersheimer Madonna“ – Zur Deutung
Maria trägt ein blaues Gewand, weil sie in den Himmel aufgenommen wurde und als Himmelskönigin verehrt wird. Das Rot in ihrem Gewand deutet auf ihre Liebe oder auf den Heiligen Geist hin, von dem sie erfüllt war, aber auch auf die Passion Jesu Christi und ihr eigenes Leiden. Das Gold schließlich ist Zeichen für das göttliche Licht, das in Maria aufschien. Sie präsentiert der Welt deren Herrscher: Jesus Christus.
Die goldene Kugel in der Hand des Jesuskindes kann als „einfacher“ Apfel gedeutet werden und ist dann ein Symbol der Überwindung und Erlösung von der Sünde. Wird sie aber als Reichsapfel gedeutet, dann ist sie ein Herrschaftssymbol.
Die „Gandersheimer Madonna“ können Sie in der Marienkapelle betrachten. Stand sie dort früher hinter einem Schutzgitter, so befindet sie sich seit 2010 – erneut restauriert – in einer mit Glas gesicherten Nische.
In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Replik der „Schwarzen Madonna von Tschenstochau“, die eine Gruppe polnischer Arbeiter, die für etwa ein halbes Jahr in Lüneburg weilte, unserer Kirche aus Dankbarkeit vermachte. Leider ist sie uns entwendet worden, wurde aber mittlerweile durch eine andere Replik ersetzt.
Beachten Sie bitte auch unseren Artikel über die Rose.